Produkt
Emissionen gegen Null reduzieren
Klimawirkung von Flugzeugantrieben
Emissionsfreiheit lautet die Vision der MTU und das große Ziel der Luftfahrt. Leitstern ist das 1,5 Grad-Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen. Wir haben daher unsere Technologieagenda Clean Air Engine weiterentwickelt, um Antriebe für klimaneutrales Fliegen vor 2050 bereitzustellen. Dafür intensivieren wir die Erforschung revolutionärer Antriebskonzepte.

Um die ambitionierten Klimaziele des Pariser Klimaabkommens und des EU Green Deals zu erreichen, ist eine konsequente Betrachtung aller klimawirksamen Effekte der Luftfahrt wichtig.
Die MTU setzt sich bereits seit langem für einen umweltverträglichen Luftverkehr ein. Während sich die Ziele der Luftfahrt in der Vergangenheit vor allem auf die Reduktion von CO2-Emissionen konzentriert haben, hat das Pariser Klimaabkommen zu einem Paradigmenwechsel geführt. Die Erderwärmung soll demnach auf unter 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden (Pariser Klimaziel). Die EU wiederum strebt mit ihrem Green Deal als Zwischenziel eine Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 55 % bis 2030 an und eine Treibhausgas-Neutralität bis 2050. Um diese ambitionierten Ziele zu erreichen, ist eine konsequente Ausrichtung auf alle klimawirkenden Effekte des Luftverkehrs entscheidend, da Nicht-CO2-Effekte einen erheblichen Anteil an der Klimawirkung haben. Zudem ist das Verständnis für die Wirkweise von Nicht-CO2-Effekten heute deutlich verbessert. Das bedeutet: Neben der weiteren Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und damit der CO2-Emissionen sind auch die Verringerung von Kondensstreifen und die damit verbundene Wolkenbildung sowie die Reduzierung von Stickoxid-Emissionen (NOx) wesentliche Anliegen der MTU. Mehr zur Klimawirkung in unserem Spotlight Daneben bleiben die Reduktion von Lärm und gesundheitsschädlichen Abgasemissionen weiterhin wichtige Ziele. Im Unternehmensleitbild ist die Schaffung von Produkten mit reduzierten negativen Auswirkungen auf Klima und Gesundheit festgehalten, auch in den globalen Verhaltensgrundsätzen (MTU Code of Conduct) sind entsprechende Leitsätze formuliert.
MTU-Technologieagenda mit emissionsfreien Konzepten
Die Luftfahrtindustrie ist gekennzeichnet von langen Produktzyklen: Ein Triebwerk ist in der Regel bis zu 30 Jahre im Flugbetrieb, bevor es ausgemustert wird. Die Ziele für ökoeffiziente Antriebe sind daher langfristig gesetzt und im Rahmen von Absichtserklärungen der Stakeholder (Fluggesellschaften, Luftfahrtindustrie, Forschung, Luftfahrtbehörden) wie z.B. in Flightpath 2050, der europäischen Vision für die Zukunft der Luftfahrt, festgelegt. Da die Ziele des Pariser Klimaabkommens jedoch weitaus ambitionierter sind als die von Flightpath 2050, hat die MTU ihre Technologieagenda Claire - Clean Air Engine - neu ausgerichtet. Unser erklärtes Ziel ist es, bereits deutlich vor 2050 Produkte auf den Markt zu bringen, die klimaneutrales bzw. emissionsfreies Fliegen ermöglichen. Wir intensivieren deshalb die Erforschung zukunftsweisender Antriebskonzepte zusammen mit Partnern aus Industrie, Wissenschaft und Forschung. Dafür haben wir in Claire Zeithorizonte, Ziele und Umsetzungsmöglichkeiten festgehalten und die drei Anwendungsbereiche der Luftfahrt - Kurz-, Mittel- und Langstrecke - berücksichtigt.
Neben der evolutionären Weiterentwicklung der Fluggasturbine haben wir in Claire neue, revolutionäre Antriebskonzepte verankert. Dabei favorisieren die MTU-Ingenieur:innen den so genannten Water-Enhanced Turbofan (WET Engine), ein Konzept, das den Kraftstoffverbrauch und sämtliche klimawirkenden Emissionen - neben CO2 auch NOx sowie die Bildung von Kondensstreifen - weitreichend reduziert. Eine weitere Stoßrichtung der MTU-Technologieentwicklung zielt auf eine vollständige Elektrifizierung des Antriebsstrangs, um Emissionsfreiheit zu erreichen. Hierbei sehen wir das größte Potenzial in einer Wandlung von Wasserstoff in Strom mit Hilfe einer Brennstoffzelle (Flying Fuel Cell).
Wir unterstützen den Einsatz von Sustainable Aviation Fuels
Auf dem Weg zur Klimaneutralität wird so genanntes Sustainable Aviation Fuel (SAF) eine große Rolle spielen. SAF ist nachhaltig erzeugter Flugkraftstoff, der bereits heute in Beimischungen von bis zu 50 % ohne Anpassungen an Flugzeug und Triebwerk und damit drop-in einsetzbar ist. Für die Erreichung der Klimaziele ist die Nutzung des vollen Potenzials, die SAF bieten, zwingend notwendig. Nur eine unmittelbare und signifikante Erhöhung der Herstellkapazitäten kann dies gewährleisten. Denn nach einer Studie des internationalen Dachverbands der Airlines IATA können allein die CO2-Kreislaufemissionen mit SAF um bis zu 80 % reduziert werden, zukünftige fortschrittliche Herstellverfahren erreichen noch höhere Werte. Eine Flugtestkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat jüngst das Potenzial von SAF nachgewiesen, die Partikelemissionen verringern und damit die Bildung und Wirkung von Kondensstreifen stark positiv beeinflussen zu können. Die MTU unterstützt die Einführung von SAF als Gründungsmitglied über den Verein aireg - Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e.V., ein Zusammenschluss von Fluggesellschaften, Herstellern und Forschungsinstituten. Darüber hinaus fördern wir mehrere Vorhaben zum Aufbau von SAF-Produktionsanlagen, zum Beispiel als Konsortialpartner in der Initiative CleanTech in der Luftfahrt oder zur Erforschung von near drop-in Kraftstoffen, also Kraftstoffen, die die Klimawirkung noch weiter reduzieren können, allerdings geringe Anpassungen an Triebwerk und Flugzeug erfordern.
Der Getriebefan fliegt: energiesparender und
emissionsärmer als frühere Triebwerke
Claire 1 - In Service
Mit der ersten Generation der Getriebefan-Triebwerksfamilie, die wir zusammen mit unserem Partner Pratt & Whitney entwickelt haben und fertigen, haben wir unser erstes Klimaziel von 15 % weniger CO2-Emissionen (Claire 1) nicht nur geschafft, sondern sogar übertroffen (16 % zum Beispiel beim PW1100G-JM für die A320neo). Die Antriebsfamilie hat sich zu einem großen Geschäftserfolg entwickelt und entlastet die Umwelt messbar: Mit dieser ersten Generation haben Airlines auf ihren Flügen schon mehr als sechs Millionen Tonnen CO2 eingespart. Auch bei den NOx-Emissionen bringt sie deutliche Verbesserungen: Sie sind um 50 % geringer als beim Vorgängermodell.
Mit sofort einsetzbarem Drop-in-SAF, das bereits heute in Beimischquoten bis zu 50 % verwendet werden kann, ließe sich die Klimawirkung nach Ergebnissen einer internen Studie um 35 % je Passagierkilometer (relativ zum technischen Stand eines Triebwerks aus dem Jahr 2000) reduzieren.

In über elf Millionen Flugstunden und an mehr als 1.100 Flugzeugen haben die Antriebe der Getriebefan-Familie bereits über sechs Millionen Tonnen CO2 einsparen können (Quelle: Pratt & Whitney, Stand: Q4/2021). Der Antrieb ist auch wirtschaftlich ein Erfolg und ein großer Umsatztreiber in unserem Portfolio.
Unser Vorhaben bis 2035: 60-80 % weniger Klimawirkung
Claire 2
Unser Ziel bis 2035 im Rahmen der zweiten Claire-Stufe ist eine Verringerung der Klimawirkung von Flugzeugantrieben um 60 bis 80 % je Passagierkilometer (relativ zum technischen Stand eines Triebwerks aus dem Jahr 2000). Die MTU setzt bei Claire 2 vor allem auf einen verbesserten Getriebefan der zweiten Generation, der eine höhere Gesamteffizienz in erster Linie durch verbesserte Wirkungsgrade der Komponenten und temperaturbeständigere und leichtere Materialien erreicht. Mit einem flächendeckenden Einsatz von SAF, das ohne jeglichen Anteil von fossilem Kerosin auskommt (100 % SAF) und das sich innerhalb der bestehenden Infrastruktur nutzen ließe, kann die Klimawirkung unmittelbar reduziert werden. Auch ein Wasserstoff-betriebener Getriebefan wäre eine Alternative, um den angestrebten Klimaschutz zu realisieren. Allerdings erfordert der Einsatz von Wasserstoff eine weitreichende Anpassung der Infrastruktur.
Die WET Engine soll als revolutionäres Antriebskonzept basierend auf dem Getriebefan in einer ersten Version 2035 in den Markt gehen und durch die Reduktion aller klimawirkenden Emissionen nahezu Klimaneutralität erreichen. Die Flying Fuel Cell könnte in diesem Zeitraum in einer ersten Anwendung auf kürzeren Distanzen nahezu emissionsfrei betrieben werden und so die Klimawirkung der Luftfahrt zusätzlich verringern.
Bei allen Vorhaben ist zu berücksichtigen, dass die Bewertung der Klimaeffekte des Luftverkehrs, vor allem die Entstehung und Wirkung von Kondensstreifen, noch Gegenstand der Forschung ist. Unsicherheiten in wissenschaftlichen Analysen und Studien zu verringern, ist für uns deshalb ein wichtiges Ziel, das wir intensiv zusammen mit weltweit führenden Forschungsinstituten wie z.B. dem DLR verfolgen.
Ein klimaneutraler Luftverkehr bis 2050
Claire 3
Wir arbeiten bereits im Rahmen von Förderprojekten zusammen mit Forschungs- und Industriepartnern an der nächsten Stufe (Claire 3), bei der wir die Klimawirkung des Luftverkehrs noch weiter verringern wollen. Der Getriebefan und die WET Engine sollen in der zweiten Generation eine noch bessere Gesamteffizienz aufweisen und dadurch den Energiebedarf des Luftverkehrs weiter reduzieren. Vor allem vor dem Hintergrund begrenzt verfügbarer erneuerbarer Energien bleibt die Minimierung des Energieverbrauchs neben dem Klimaschutz ein wichtiges Ziel. Auch die Nutzung von Wasserstoff in der WET Engine ist zu diesem Zeitpunkt vorstellbar. Dies hätte nicht nur Vorteile hinsichtlich CO2-Emissionen, sondern könnte zusätzlich aufgrund des Kühlpotenzials von flüssigem Wasserstoff die Integration der WET-Engine-Technologie in das System Flugzeug erleichtern.
Die Flying Fuel Cell soll im Rahmen von Claire 3 Anwendung in der Kurz- und Mittelstrecke finden. Hierzu wollen wir die gewichtsspezifischen Leistungen der einzelnen Komponenten steigern, was gleichzeitig den Energiebedarf im Flug reduziert.
So funktioniert der Water-Enhanced Turbofan
Als revolutionäres, Gasturbinen-basiertes Antriebskonzept greift der Water-Enhanced Turbofan (WET Engine) voll auf das Know-how der MTU zurück. Dieses Konzept reduziert den Energieverbrauch und CO2-Ausstoß, indem Wärme aus dem Abgasstrahl rekuperiert und in den Arbeitsprozess zurückführt wird. Dazu wird die Wärme einem zweiten Arbeitsmedium – Wasser – zugeführt, das dabei verdampft und als Wasserdampf in die Brennkammer eingespritzt wird. Bei der nachfolgenden Rückgewinnung dieses Wassers aus dem Abgasstrahl werden Partikel mit ausgefiltert, wodurch die Kondensstreifen-Bildung deutlich reduziert werden kann. In Summe lassen sich damit sowohl die Klimawirkung durch Reduktion von CO2, Stickoxide (NOx) und Kondensstreifen-Bildung als auch der Energieverbrauch reduzieren, wodurch Kosten gespart und Ressourcen geschont werden.
Flying Fuel Cell: Wasserstoff-Antrieb mit großem Potenzial
Die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle ist eine sehr vielversprechende Zukunftstechnologie für eine nachhaltige Luftfahrt, da mit Ausnahme von Wasser keine Emissionen entstehen. Bei der Flying Fuel Cell wird über eine Brennstoffzelle flüssiger Wasserstoff in Strom gewandelt. Dieser wird dann zum Betrieb von Elektro-Motoren genutzt, die über einen Vortriebserzeuger, z.B. einen Propeller, Schub erzeugen. Mit diesem Antriebssystem werden weder CO2 und NOx noch Partikel erzeugt. Lediglich Wasser bleibt als Emission übrig. Die FFC ist somit nahezu emissionsfrei. Aufgrund des hohen Klimawirkungs-Potenzials verfolgen wir dieses Konzept und arbeiten mit dem DLR an einem Flugdemonstrator auf Basis einer modifizierten Propellermaschine vom Typ Dornier Do228, der Mitte der Dekade abheben soll. Zur Vorbereitung haben wir 2021 eine erste Brennstoffzelleneinheit im Modellmaßstab auf unserem Prüfstand getestet und deren Regelung erprobt.
Damit Passagierflugzeuge mit Brennstoffzellenantrieb fliegen können, sind aber noch andere Technologien nötig - allen voran das Kraftstoffsystem und dessen Integration ins Flugzeug. Wasserstoff nimmt im Vergleich zu Kerosin selbst kryogen bei minus 253 Grad Celsius noch ein drei- bis viermal höheres Volumen ein. In der Kurz- und Mittelstrecke ließe sich das aus heutiger Sicht noch sinnvoll umsetzen. Für die Langstrecke sind andere Lösungen wie unsere WET Engine besser.
Mit unserem Engagment zu klimafreundlichen Antrieben können wir zu folgenden Sustainable Development Goals beitragen:
→ Erfahren Sie mehr über unseren Beitrag zu den SDGs aus der UN-Agenda 2030
Services & Tools
Fotos: www.airbus.com; https://www.easa.europa.eu/